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Was ist Antisemitismus?

RSSPrint

Was ist eigentlich Antisemitismus

Antisemitismus ist eine besondere, negative Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass ausdrücken kann.  Der Verdacht einer "jüdischen Weltverschwörung" gehört ebenso dazu wie das Vorurteil, dass „die Juden“ angeblich Medien, Wirtschaft und Politik kontrollierten. Die Leugnung des Holocaust ist ebenso eine Form des Antisemitismus wie die Unterstellung, Juden wären loyaler zu Israel als zu ihrem Heimatstaat oder und das Zuschreiben kollektiver Verantwortung von Juden für die Politik Israels. So beschreibt die Internationale Allianz zum Holocaust-Gedenken, der über dreißig Staaten angehören,  das Phänomen des Antisemitismus.

Latenter Antisemitismus

Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland einen konstanten, latenten Antisemitismus bei 20 – 25 Prozent der Bevölkerung. Das hat die neuere Antisemitismusforschung  durch Umfragen bestätigt. Aus diesem Potential entsteht im Extremfall Gewalt gegen jüdische Menschen und Einrichtungen bis hin zu tödlichen Anschlägen und Amokläufen. In der DDR war der latent vorhandene Antisemitismus durch den systemverordneten Antifaschismus überdeckt, gleichwohl vorhanden und als Israelfeindschaft auch sichtbar. Was antisemitische Vorurteile im alltäglichen Leben bedeuten, veranschaulicht das Projekt "Jeder Vierte" der Axel-Springer-Akademie.

Aktuelle Trends

Während ForscherInnen in den früheren Jahren den westdeutschen Antisemitismus traditionell auf der politisch rechten Seite  verorteten, zeigen neue Untersuchungen, dass  antisemitische Grundeinstellungen inzwischen wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Man findet sie in allen Gruppen, die die Gesellschaft abbilden, in allen politischen Parteien, in der Polizei, in der Bundeswehr, in Sportvereinen und auch in den Kirchen.  Dazu passt auch die Tendenz, dass Antisemitismus mehr öffentlich gezeigt wird, er ist sichtbarer geworden ist,  zeigt sich selbstverständlicher und selbstbewußter. Informationen dazu finden Sie z.b. Schäfer, Peter, Kurze Geschichte des Antisemitismus, sowie in der epd-Dokumentation Antisemitismus in gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatten: Tendenzen – Erscheinungsformen – Gegenwirkungen

Alte antijüdische Verschwörungsmythen und Generalverdachte neu belebt

In jüngster Zeit belegen z.B. die Verschwörungsmythen der CoranaleugnerInnen, wie  alte antisemitische Muster wieder neu belebt werden, die wir eigentlich für überwunden hielten.  Unter den Beschränkungen der Pandemie wurden viele antisemitische Vorurteile radikalisiert und durch die rechte Szene verstärkt. Dabei wird zunehmend auf traditionelle kirchliche Muster der Judenfeindlichkeit zurückgegriffen. Theologischer Antijudaismus und rassistischer Antisemitismus sind zwar nicht dasselbe, aber sie haben eine größere Schnittmenge, als bisher wahrgenommen.

Antisemitismus und neue Medien

War die Einflussnahme antisemitischer Verschwörungsmythen und Hassparolen bis ca. zum Jahr 2000 durch eine verfasste Öffentlichkeit beschränkt – also auf öffentliche Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitung begrenzt - ist die Verbreitung im weltweiten Netz unkontrollierbar und folgenreicher. Auch für Kirchenmitglieder aller Generationen bis hin zu den KonfirmandInnen ist das Internet als Kommunikationsmittel meinungsbildend, umso wichtiger wird es für uns als Kirche, sich von antijüdischen Inhalten klar abzugrenzen.

Evangelische Kirche und Antisemitismus

Der Bericht der Antisemitismus-Kommission der Bundesregierung, der von unabhängigen Expertinnen und Experten erstellt wurde, widmet in Teil 9 „Antisemitismus und Religion“ der evangelischen Kirche ein eigenes Kapitel. Hier wird der als Israelkritik verbrämte Antisemitismus analysiert (Gruppen wie Kairos Europa de und BDS, einseitig pro-palästinensische, israelfeindliche Gruppen auf Kirchentagen)  sowie die Abwertung des AT  als Beispiel für den neuen oder noch existierenden theologischen Antijudaismus. Jüngste  Auseinandersetzungen mit dem Jerusalemverein zeigen, dass eine Theologie, die die „Ablösung“ der Juden als Volk Gottes durch die Christen behauptet bzw. das göttliche Heil den Juden entzogen sei doch noch verbreitet ist. Andrerseits gibt es auf kirchenleitungsebene eine Reihe von Erklärungen, die dieser Art antijüdischer Theologie widersprechen, viele Erkenntnisse des christlich-jüdischen Dialogs sind aber offenbar noch nicht oder nicht mehr bei der Basis angekommen, so auch das Fazit des Antisemitismusberichtes der Bundesregierung:  „Sowohl für die Evangelische als auch für die Katholische Kirche in Deutschland gilt, dass es auf Leitungs- bzw. offizieller Ebene ein Bewusstsein für antijudaistische und antisemitische Traditionen gibt. Im Rahmen unterschiedlicher Initiativen werden zudem Bestrebungen unterstützt, sich kritisch mit durch alte Liturgien tradiertem Antijudaismus und aktuellem Antisemitismus auseinanderzusetzen. Dennoch bleibt nach wie vor offen, inwieweit diese Initiativen auf Gemeindeebene, in der Theologieausbildung oder im schulischen Religionsunterricht ankommen.“ (S. 187)

Antisemitismusbeauftragte

Die Antisemitismus-Kommission forderte für die Bundesregierung einen Antisemitismusbeauftragten, der inzwischen berufen wurde. Auch die EKD hat seit 2019 als Institution einen eigenen Antisemitismusbeauftragten, der in Grundsatzfragen den Rat der EKD berät. Von jüdischer Seite wird zunehmend gefordert, dass in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen mehr gegen Antisemitismus getan wird. Es reiche nicht, allein auf die Lehren der Geschichte zu vertrauen. Verantwortung, die daraus erwachse, müsse auch gelebt werden, sich in Taten zeigen. Im Handbuch für Antisemitismus der Europäischen Kommission und der Internationale Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA) wird die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten als eine wirkungsvolle Maßnahme zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus genannt. Die Kirchenleitung der EKBO hat im Januar 2021 Pfarrerin Marion Gardei zur Beauftragten für jüdisches Leben und für den Kampf gegen Antisemitismus (Antisemitismusbeauftragte) berufen.

Letzte Änderung am: 26.02.2021