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Studie: Antisemitismus in Sachsen ist alltäglich

Antisemitismus ist in Sachsen präsent. Das zeigt eine aktuelle Berliner Studie. Jüdinnen und Juden werden als Fremde gesehen. Zu viele Vorfälle bleiben noch im Dunkeln.

Berlin/Dresden (epd). Antisemitismus ist für Jüdinnen und Juden in Sachsen alltagspräsent. Aber nur ein Teil antisemitischer Vorfälle wird erfasst, noch weniger kommen zur Anzeige. Das belegt eine Studie des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Daten für den Freistaat wurden für die Jahre 2014 bis 2019 erhoben. In diesem Zeitraum seien 712 antisemitische Vorfälle registriert worden.

Darunter sind 484 polizeilich erfasste politisch motivierte Straftaten, wie RIAS-Bundesgeschäftsführer Benjamin Steinitz bei der Vorstellung der Studienergebnisse sagte. 178 Fälle seien ausschließlich aus zivilgesellschaftlichen Quellen bekannt. Lediglich 50 antisemitische Vorfälle wurden laut Steinitz von Polizei und Zivilgesellschaft erfasst.

Im Schnitt seien pro Woche etwa drei Fälle bekanntgeworden. "Wir müssen aber von einem erheblichen Dunkelfeld in allen Regionen des Freistaates ausgehen", sagte Steinitz. Die meisten Vorfälle und die schwersten gebe es in den drei großen Städten Dresden, Chemnitz und Leipzig, wo auch die jüdischen Gemeinden beheimatet sind.

Vor allem bei Demonstrationen seien Vorfälle bekanntgeworden. Neben Berlin gebe es keine andere deutsche Stadt, in der Versammlungen mit offenem Antisemitismus so zu beobachten seien wie in Dresden, sagte Steinitz, etwa bei der asylfeindlichen "Pegida"-Bewegung oder bei Corona-Protesten.

Zwischen 2017 bis 2019 habe es 33 antisemitische Vorfälle bei Versammlungen in Dresden gegeben, etwa Äußerungen von Rednern und Teilnehmenden. Nur vier der Vorfälle seien polizeilich erfasst worden, sagte Steinitz. Ein latenter Antisemitismus ist laut RIAS-Referent Daniel Poensgen immer präsent. Jüdinnen und Juden würden als eine fremde Gruppe gesehen und zugleich mit Macht und Geld verbunden.

Viele Vorfälle gingen von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten aus, einige auch von islamistischen Milieus. Es gebe Antisemitismus in allen Bildungs- und Sozialmilieus. Betroffenen hätten verschiedene Umgangsweisen, sie versuchten Antisemitismus zu ignorieren oder zu vermeiden, als jüdisch wahrgenommen zu werden. Manche würden auch umziehen oder den Dialog suchen.

Der Bedarf einer Dokumentation antisemitischer Vorfälle sei schon lange angezeigt gewesen, sagte die Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Nora Goldenbogen. In ganz Deutschland sei das Leben für Jüdinnen und Juden schwieriger geworden, auch in Sachsen spüre sie seit langem mehr alltäglichen Antisemitismus. Die Studie bilde eine Arbeitsgrundlage, um stärker dagegen vorzugehen. Vielen Jüdinnen und Juden fehle es an Vertrauen in staatliche Behörden und auch zu zivilgesellschaftlichen Organisationen. Goldenbogen kritisierte, dass in Dresden bei "Pegida"-Demonstrationen Holocaust-Leugner zu lange, teilweise unbehelligt, auftreten konnten. "Es hat lange gedauert, bis diesem Spuk ein Ende gemacht werden konnte", sagte sie.

Laut dem Beauftragten für das Jüdische Leben in Sachsen, Thomas Feist, braucht es verlässliche Ansprechpartner, die mit dem Thema vertraut sind. "Wir brauchen in den Behörden Personen, die für das Thema sensibilisiert sind", sagte Feist.

epd ost kr bue
# epd-Service

## Info
Seit 2018 verfolgt RIAS nach eigenen Angaben das Ziel, eine einheitliche zivilgesellschaftliche Erfassung antisemitischer Vorfälle zu etablieren. Daten gebe es bisher unter anderem aus Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg sowie Hessen und Sachsen-Anhalt. Für die Studien werden qualitative und quantitative Quellen herangezogen.

## Internet
Bericht "Antisemitismus in Sachsen": u.epd.de/1rxp